Liebe Grafschaft Glatzer,
liebe Schwestern und Brüder,
da ich diese Zeilen Ende Februar schreibe, hat gerade der Krieg Russlands gegen die Ukraine begonnen. Was kaum jemand für möglich hielt, ist tatsächlich eingetreten: ein brutaler Angriffskrieg in Europa. Diese Nachricht macht uns traurig und wütend. Wenn Sie diesen Gruß lesen, werden die Kampfhandlungen hoffentlich beendet sein.
Die Bilder der russischen Angriffe auf ukrainische Städte und der verängstigten, verzweifelten und fliehenden Menschen haben in Ihnen wahrscheinlich Erinnerungen an eigene oder Ihrer Eltern Erfahrungen des Krieges und der Vertreibung hervorgerufen. Nach dem Zweiten Weltkrieg dürfe so etwas in Europa nie mehr geschehen, das war unsere Hoffnung und Erwartung.
Nun ist es anders gekommen, und wir fragen uns, was wir in dieser Situation tun können. Wir wollen den Menschen in der Ukraine ja gerne unsere Solidarität zeigen, aber es bleibt uns letztlich nur das Gebet für sie und um das Ende der Gewalt und um Frieden.
Am Osterfest und dann noch einmal am Pfingstfest hören wir die Worte des auferstandenen Herrn an seine verängstigten Jünger, die sich hinter verschlossene Türen zurückgezogen hatten. Die ersten Worte, die Jesus spricht, sind nicht Worte des Tadels oder der Ermahnung, sondern ein Wort des Friedens: „Friede sei mit euch!“ (Joh 20,19). Dies ist das einzige Wort, das nach der Karfreitagserfahrung weiterhilft und die Augen zu öffnen vermag für das Handeln Gottes an seinem Sohn, für die Auferweckung aus dem Tod.
Dieses Wort wird hineingesprochen in die Erfahrung der Enttäuschung und der Trauer der Jünger angesichts des schmachvollen Kreuzestodes ihres Herrn. Und dieses Wort des Friedens spricht der Auferstandene auch angesichts der Erfahrung von Schuld und Versagen im eigenen Jüngerkreis, angesichts des Verrats des Judas, der Feigheit des Petrus, der Flucht fast aller Apostel und des Zweifels des Thomas (Joh 20,26).
Diesen Wunsch des Friedens sagt der auferstandene Herr heute unserer Welt, die sich nach Frieden und Gerechtigkeit für die ganze Schöpfung sehnt. Er spricht es aber auch uns als seiner Kirche zu, die unter dem Versagen und der Schuld von Verantwortlichen in ihr und unter der Uneinigkeit bei der Suche nach dem Weg in die Zukunft leidet und sich nach Stärkung und Erneuerung im Glauben, nach Einheit und Versöhnung sehnt.
Dem Auferstandenen dürfen wir zutrauen, dass dieser Wunsch des Friedens nicht nur ein bloßes Wort bleibt, sondern konkret und Wirklichkeit wird. Aber dafür braucht er uns als seine Jüngerinnen und Jünger: unser Gebet und unser Bekenntnis zu ihm, unser Handeln aus dem Glauben und unser Bleiben in der Gemeinschaft der Kirche.
Ich wünsche Ihnen ein hoffnungsvolles und gesegnetes Osterfest und die stärkende Erfahrung der Nähe des Auferstandenen in Ihrem Leben!
Ihr Marius Linnenborn
Präses des Heimatwerkes Grafschaft Glatz e.V.
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